Zum 250.
Mal jährte sich 1992 die
Weihe der katholischen Pfarrkirche St. Gallus und Ulrich in
Kißlegg. Am 9. und 10. Mai des Jahres 1742 fand damit der
barocke
Umbau der 1548 erbauten Kirche seinen Abschluss.1
Die
Initiative zum Umbau der Kirche
ging sicherlich von dem kunstsinnigen Pfarrer Franz Joseph Lohr
(1702-1775) aus, der 1732 die Pfarrstelle in Kißlegg bezogen
hatte.2
Lohr konnte offenbar bald die Herrschaft für sein Vorhaben
gewinnen;
für die Finanzierung des Baus war deren
Unterstützung
unerlässlich. Die rege Bautätigkeit des
Grafen Ferdinand
Ludwig von Wolfegg und seiner Ehefrau Maria Anna von Schellenberg in
Wolfegg und Kißlegg lässt erahnen, dass auch sie an
einer
Barockisierung der Kirche Interesse hatten; war doch auch den
kleinen Herrschaften daran gelegen, in Nachahmung der
absolutistischen Fürsten ihrer Souveränität
und ihrer Machtfülle
durch barocke Prachtentfaltung in den „Residenzen"
Ausdruck zu verleihen.3
Im Jahr
1734 waren die Vorbereitungen
für den Umbau in vollem Gang. Als Baumeister wurde Johann
Georg
Fischer von Füssen bestellt; er war bereits seit
längerer Zeit
auch mit dem Neubau der Stiftskirche in Wolfegg beschäftigt.
Im
November 1734 wurde bereits Baumaterial herbeigeschafft:
Steine
aus einem Steinbruch an der Argen bei Wengen und vom Gemäuer
der
alten Burg Kißlegg. In St. Anna wurde eine
„Kalchgrueb"
angelegt, in der der gelöschte Kalk unter
Luftabschluss
bis zur Verwendung aufbewahrt wurde.4
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Kath.
Ptarrkirche St. Gallus
und Ulrich in Kißlegg. Chor und Seitenschiffe, wie hier zu
sehen, wurden 1734-1738 von Baumeister Johann Georg Fischer neu erbaut.
Das Langhaus soll auf den nach dem ersten großen Brand von
Kißlegg im Jahr 1548 erstellen Bau zurückgehen. Der
Turm, in dessen unterem Drittel noch romanisches Mauerwerk
erkennbar ist, erhielt 1781 seine barocke Glockenstube und
seinen barocken Turmhelm (Foto: tw).
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Das Jahr
1735 stand dann ganz im
Zeichen des Chorneubaus. Im Frühsommer erstellten die
Zimmerleute
eine Bretterwand zwischen Chor und Langhaus der alten Kirche, damit
weiterhin Gottesdienste abgehalten werden konnten.5
Daraufhin begannen Maurer und Taglöhner mit dem Abbruch des
alten
Chors, der Ausmauerung des Fundaments und dem Bau des neuen
Chorraums.6
Fischer war in dieser Zeit selbst anwesend. Im Oktober konnte bereits
das Dach des Chors gedeckt werden.7
Das
Langhaus wurde im folgenden Jahr
1736 umgebaut. Den alten Dachstuhl und die alte Kirchendecke
ließ
Fischer entfernen und die Fensteröffnungen
vergrößern. Im Juni
wurden auf die erhöhten alten Rundsäulen
neue Kapitelle
aufgesetzt8,
anschließend ein Tonnengewölbe (als
Zimmermannsarbeit) über
dem Mittelschiff eingezogen. Bis August 1736 war man dann
schon
bis zur Aufrichtung des Dachstuhls auf dem Langhaus gediehen.9
Die Schreiner waren damals mit dem Einbau eines neuen
Kirchengestühls beschäftigt.10
Schon
für das Jahr 1736 ist eine erste
Weihe der Kirche, vielleicht nur des Kirchenraumes, nachgewiesen. Die
Quelle spricht von einer „Benediktion“, nicht
Konsekration. Sie
wurde von Graf Johann Ferdinand von Waldburg-Wolfegg, Domherr zu
Köln
und Konstanz vorgenommen, dem Sohn des Bauherren-Ehepaares. An der
Feier nahmen die Gräfin Maria Anna von Wolfegg, geborene von
Schellenberg, und ihre Kinder Maria Antonia, Joseph Franz, Maximilian
Heinrich und Carl Eberhard teil.11
Der Vater, Graf Ferdinand Ludwig, war bereits kurz nach Baubeginn im
Frühling 1735 verstorben.
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Prächtige
Wappenkartusche mit den Wappen des Bauherren - Ehepaares Ferdinand
Ludwig von Waldburg - Wolfegg und Maria Anna geb. Schellenberg -
Kißlegg über dem Chorbogen in der Pfarrkirche
Kißlegg
(Foto: tw).
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Noch 1736
gingen die Stukkatoren unter
dem Meister Johann Schütz ans Werk. Die Freskogemälde
schufen ab
1737 der Maler Franz Anton Ehrler von Ottobeuren und dessen
Geselle Benedict Gambs.12
Im Jahre
1742 war der Bau samt
Stukkaturen, Fresken und Altären so weit
fertiggestellt,
daß die Kirche geweiht werden konnte. Das soll am 9. und 10.
Mai
dieses Jahres gewesen sein.13
In der Kißlegger Kirchenpflegerechnung ist allerdings vom 12.
Juni
die Rede; ob dies nur der „Zahltag“, oder der
Kirchweihtag selbst
war, wird nicht ganz klar.14
Viel
wissen wir über diese vor genau
250 Jahren stattgefundene Kirchweihe nicht. Fest steht: es
müssen festliche Tage in Kißlegg gewesen
sein: die
Klosterfrauen mussten eigens eine Portion Wachs für Fackeln
und eine
Anzahl „große und kleine Körtzen"
bereitstellen15,
der Kaplan stellte der Kirchenpflege eine Rechnung
über „zur
solemnen Kürchweyh verbrauchte (Geigen-) Saiten" aus16,
und zur Ausschmückung der Kirche wurden „Mayen"
(Birken)
angebracht.17
Wer die Weihe vorgenommen hat, steht nicht fest; vielleicht war es
der Konstanzer Weihbischof Graf Fugger, der bereits am 7. Mai
1742 die ebenfalls fertiggestellte Wolfegger Stiftskirche weihte; an
anderer Stelle wird aber auch der Domherr Johann Ferdinand von
Wolfegg genannt.
Die
Ausgestaltung der Kirche war 1742
noch nicht abgeschlossen. Die Kanzel (von Hegenauer) beispielsweise
wurde erst 1745 angebracht. Pfarrer Lohr hat viel zur
Ausgestaltung
beigetragen. Neben verschiedenen Holzbildwerken finanzierte er vor
allem die Einfassung der 1744 aus Rom herbeigeschafften
Gebeine
von vier Märtyrern und den berühmten Silberschatz aus
21
silbergetriebenen Figuren. Per Testament vermachte der Pfarrer
all dies der Pfarrkirche.
Lohr, der
auch wegen seiner gedruckten
Predigtwerke bekannt wurde, schuf sich mit seinen Aktivitäten
nicht
nur Freunde in der Pfarrei. Verschiedentlich wurde ihm
vorgeworfen,
wegen seiner kostspieligen Anschaffungen für die
Pfarrkirche
den Bauern beim Einzug und Verkauf des Pfarrzehnten und der
Grundabgaben nicht gerade entgegengekommen zu sein. Manche
warfen ihm auch vor, die Kirchenpflege und das Vermögen der
Bruderschaften mit dem Umbau zugrunde gerichtet zu haben18,
obwohl die noch heute vorhandenen Kirchenpflegerechnungen des
18. Jahrhunderts keine größeren
finanziellen Einbrüche der
Stiftungen erkennen lassen. Der Kirchenumbau, der bis 1744 mit einer
Summe von 18 535 Gulden zu Buche schlug, wurde zu drei Vierteln aus
den Rentamtskassen der beiden Kißlegger Herrschaften
bestritten (ca.
14 000 Gulden). Immerhin 23 Prozent der Kosten übernahmen die
ortskirchlichen Stiftungen (4200 Gulden); Pfarrer Lohr beteiligte
sich zunächst mit knapp 400 Gulden am Umbau.19
Die
Leviten für die Anschuldigungen
dem Pfarrer gegenüber verlas der Dekan Motz den
Kißleggern in
seiner Leichenrede für Franz Joseph Lohr im Jahre 1775.
Über die
Beschwerden bezüglich des unnachsichtigen Einzugs und Verkaufs
der
Zehnt- und Gültfrüchte schrieb er ihnen die folgenden
Sätze ins
Stammbuch, die noch einmal das gesellschaftliche und geistliche
Grundgerüst der damaligen Zeit erahnen lassen: "Da seht ihr,
wohin seine Carolin (Münzen) gekommen ...; sie wurden von
euren
Zehend-Früchten nach göttlichem Recht gezogen, und
wiederum zu
Gottes und der heiligen Ehr umgeschmolzen, und zurück in den
Kisleggischen Kirchenschatz auf immer geleget ... Wie ist euch um das
Herz, wann ihr in hiesiges Gottshaus zu jener Zeit kommet, wo alle
von eurem gottseeligen Pfarrherrn beygeschaffte Kirchenschätze
ausgesetzet sind? Ist es nicht ein lauterer Schimmer und Glanz? Denkt
ihr nit, es ist, als ob man in den Himmel hineingehe …"
1
Dieser Beitrag erschien in der Schwäbischen Zeitung, Ausgabe
Wangen, vom 8.5. 1992 Nr. 106, und wurde für diese
Online-Publikation
geringfügig aktualisiert und mit Anmerkungen versehen.
2 Pfarrarchiv
Kißlegg (PfAKi): Eheregister der Pfarrei Kißlegg,
Band II (Vermerk beim Jahr 1732).
3 SCHMID, Otto:
St. Katharina Wolfegg. Ein Barockjuwel erzählt. Bergatreute
(Verlag W. Eppe) 1993; S. 14 ff.
4 PfAKi:
Kirchen- und Chorbaurechnung 1734-1738: „Ausgab wegen dem
Steinsprengen“: ab 04.11.1734 „Steinbrechen in der
Burg“ und vom „Wengischen Steinbruch“;
Ausgaben für „Kalch“ aus der
„Kalchgrueben in St. Anna“.
5 PfAKi:
Rapular zur Kirchen- und Chorbaurechnung, Eintrag zum 25. Juni 1735:
Ausgabe für die Zimmerleute „bey machung der bretter
anschläg vndt sperrinnen in der kierchen.“
6 PfAKi:
Kirchen- und Chorbaurechnung, Ausgaberubrik
„Pallier“, 26.06.1735: für
„ausmauring deß chorfundaments“ und
09.07.1735: „auf abbrechung des alten und aufmaurung des
neuen Chors“
7 PfAKi:
Rapular, Eintrag zum Oktober 1735.
8 PfAKi,
Kirchen- und Chorbaurechnung, Ausgaberubrik
„Steinsprengen“.
9 PfAKi,
Kirchen- und Chorbaurechnung, Ausgaberubrik
„Zehrung“: „bey aufrichtung deß
Tachstuells auf dem Langhaus“.
10 PfAKi:
Rapular, Eintrag zum 16.08.1736:
„Kürchenstüehlen … und 62
aichenen Dockhen“.
11
Gesamtarchiv der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg, WoKi 1253;
Mitteilung von Herrn Archivar R. Beck, Wolfegg, vom 27.03.1992.
12 KRIEGER,
Helmut: Kath. Pfarrkirche von Kißlegg im Allgäu.
München/Zürich (Schnell&Steiner) 1981, S. 3
ff.
13 WAHR, Emil:
Die Kirchen von Kißlegg (Württ.). München
(Schnell&Steiner) 1938. Woher Pfarrer Wahr dieses Datum wusste,
ist bisher nicht bekannt.
14 PfAKi:
Trauchburgische Heiligenrechnung 1740/41, Beilage Nr. 28:
„Vncosten per 2 fl 45 x so bey Einweyhung der allhiessigen
Pfarrkirchen beschehen den 12 Juni 1742“
(Rückvermerk). „Den 12. Juni 1742, da man bey Ein
Weyhung der allhiesigen S. Gallen Pfarrkirchen auf vnderschiedliche
weis an vncosten, vndt sonderlohn, in Verpflegung, Übered, als
Hochgebohrene gnädige Herrschaft selbsten gnädiglich
übernommen, zu dero högsten Nothwendigkhait annoch
auf … 2 fl 45 x, welche mir von dem Hailligen Pfleger Par
bezalt worden, bescheine Kislegg den 12 Juni 1742, Antoni Frast
Ammann“.
15 PfAKi:
Beilage Nr. 599 zur Kirchen- und Chorbaurechnung: Maria Concordia
Soldin, damals Mutter im Kloster Kißlegg, berechnet am
23.09.1742 verbrauchtes Wachs. Es heißt in der Rechnung:
„Über allhiesige Kürchweyhe, vnd
Josephs-fest ist weiß Wax an fackhlen, groß vnd
kleine Körtzen abgeholt worden, 36 lb, daß lb
à 56 x macht 33 fl 36 kr.“ Anmerkung des Pfarrers
von Kißlegg auf dieser Rechnung: „Obiges ist alles
veranstaltet vnd verbraucht worden auf Ihro hochgräffl.
Excellenz vnserer gnädigen frauen gnädlichen befelch;
die dann auch zu Zeit der Kirchweyhung mir gnädiglich
befohlen, das der Ertrag bey dero Titl. Herrn Rent-Ambts-Verwalter soll
erhoben werden.“
16 PfAKi:
Trauchburgische Heiligenrechnung, Jahrgang 1741/42, Beilage 1.
Benefiziat Franz Anton Haselstaudinger schreibt auf seiner Rechnung:
„Herr Heyligen Pfleger beliebe zubezahlen Herrn Deuring
für Geigensaiten auf den Chor. 1 Bundt vnd 4 Buschle 1 fl 8
kr; item für zur solennen Kürchweyh verbrauchte
Saiten 46 kr.“
17 ebenda,
1740/41, S. 28: „Item vor Mayen in die offa-Kirchen an der
Kirchwey, hauen vnd fiehren 24 kr“; auf S. 27 heißt
es außerdem „Item bezahl ich dem Maurer maister von
Wollfegg wie man die Kirchen gewihen hat … 30 kr“.
18 VON MOTZ,
Joseph Ignaz Jacob, Pfarrer in Kimratshofen und Dekan des Kapitels
Isny: Leichenrede zum Tod von Pfarrer Franz Joseph Lohr. Druck, 1775
(Pfarrarchiv Kißlegg). Darin finden sich zahlreiche Hinweise
zur Biographie des Pfarrers!
19 PfAKi:
Kirchen- und Chorbaurechnung.