Zum
Tag der offenen Tür im Kaplaneihaus St. Katharina am 10.09.2023
Zum
Tag der
offenen
Tür im Kaplaneihaus St. Katharina lohnt sich ein kleiner Blick
in
die Geschichte des Gebäudes und der Kaplanei.
Die
Kaplanei
wurde
im Jahr 1399 von Marquard von Schellenberg, den Brüdern
Tölzer und
Märk von Schellenberg sowie dem Neffen dieser Brüder,
Konrad von
Schellenberg, „in der Pfarrkirchen zu Zelle im Amt
[Kißlegg]
auf Sankt
Katharinen Altar vor dem Chor
in der Abseiten zur linken Hand“,
wie es in der Urkunde heißt, gestiftet.1
Da
zu jener
Zeit die
Kirche zu Willerazhofen, deren Pfarrstelle die Schellenberger an den
Priester Hans Schwininer von Waldsee verliehen hatten, sehr arm war
und einen eigenen Pfarrherr kaum unterhalten konnte, baten die
Stifter den Bischof, die neu gestiftete Kaplaneistelle zu
Kißlegg
mit der Pfarrstelle von Willerazhofen zusammen legen zu
dürfen. So
kam es, dass der Katharinen-Kaplan von Kißlegg in seiner
Funktion
als Pfarrer von Willerazhofen Jahrhunderte lang verpflichtet war, den
Ort Willerazhofen zu pastorieren. Dort unterstanden ihm aber nur zwei
Höfe, während alle anderen Häuser zur
Pfarrei Leutkirch gehörten!2
Die
bald nach
der
St.-Katharina-Kaplanei im Jahr 1420 von Tölzer von
Schellenberg
gestiftete Kaplanei St. Maria an der Pfarrkirche Kißlegg
("auf
dem Altar unserer lieben Frau vor dem Chor in der
rechten
Abseiten")3
wurde 1694 mangels ausreichender Einkünfte
„provisorisch” mit
der Kaplanei St. Katharina vereinigt4,
so dass man in späteren Jahren auch von der
„Kaplanei St.
Katharina und Maria” sprach. Im 18. Jahrhundert wurde ein
Wiedererrichtungsfonds für die Marien-Kaplanei angelegt, der
eine
spätere Neubesetzung dieser Kirchenstelle ermöglichen
sollte, wozu
es aber nie kam.
1812
erfolgte
die
Abtrennung der Pfarrstelle Willerazhofen von der Katharinenkaplanei
Kißlegg,5
wodurch sich der Kaplan ganz auf seine Aufgaben in Kißlegg
konzentrieren konnte. Oft war die Kaplanei eine
„Zwischenstation“
für den Geistlichen zwischen der Vikarszeit und der
späteren
Anstellung als Pfarrer. Die Kaplanei war eine Pfründe, die
ihrem
jeweiligen Inhaber den Unterhalt sicherte. Dazu gehörten
Naturalien
und Geldzinsen aus landwirtschaftlichen Gütern rund um
Kißlegg, z.
B. der Zehnte in Freibolz und Weitershofen und in Anteilen des
Fleckens Kißlegg,6
sowie mehrere Grundstücke, nicht zuletzt auch das
Kaplaneihaus. Der
Kaplan wurde wie ein Pfarrer auf die Stelle investiert,
gehörte
damit zu den „definitiv“ angestellten Geistlichen.
Seit 1978, als
Kaplan Mattmüller Kißlegg verließ, ist die
Kaplanei vakant (nicht
besetzt); eine Folge des damals schon herrschenden Priestermangels.
Rechtlich jedoch besteht die Kaplaneistelle bis heute weiter fort,
auch wenn das Kaplaneihaus selbst mittlerweile auf die St. Gallus-
und Ulrichskirchenpflege, die bereits zuvor die Baulast zu tragen
hatte, übergegangen ist.
Das
Patronat
stand
zunächst den Herrschaftsfamilien im
„Alten“ und im „Neuen“
Schloss gemeinsam zu. Durch die Verträge von 1534 und 17127
lag es dann nacheinander bei den Herren von Freiberg, von
Schönau
und von Paumgarten, dann beim Haus Waldburg-Trauchburg, bei
Waldburg-Zeil-Wurzach und zuletzt bei dem Fürsten von
Waldburg-Zeil-Trauchburg. Auch das Patronatsrecht besteht im Prinzip
heute noch.
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Eberhard Fürst von Waldburg zu Wurzach
unterzeichnet am 1. März 1806 in Wurzach
die Resolution zum
Neubau des
Kaplaneihauses St. Katharina (Pfarrarchiv Kißlegg). |
Neben der
Katharinen- und der Marienkaplanei gab es noch eine dritte Kaplanei
an der Pfarrkirche Kißlegg. Diese 1450 von Marquard von
Schellenberg
"auf dem mittleren Altar, geweiht zu
Ehren der Apostel St.
Philipp und St. Jakob und der hl. Jungfrau Walburga"
gestiftete Kaplanei wurde auch
„Frühmess-Kaplanei“ genannt, weil
der Kaplan für die Frühmesse in der Pfarrkirche
zuständig war.
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Außerdem hatte auch er zusätzliche Aufgaben
außerhalb Kißleggs:
Er las gestiftete Messen in der Friedhofs- und Siechenkapelle St.
Anna.
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1810 wurde diese Kaplanei nach Immenried verlegt und zur Pfarrstelle,
mithin die Kirche in Immenried zu einer Pfarrkirche, erhoben.
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Das
Kaplaneihaus der
1420 gestifteten Marienkaplanei stand einst an der
südöstlichen
Ecke des Kirchhofs von St. Gallus und Ulrich, also etwa dort, wo sich
heute die Lourdesgrotte befindet. Der
„Frühmesser“, wie der
Kaplan zu St. Philipp und Jakob kurz genannt wurde, wohnte im Haus
nördlich unterhalb des Kirchturms, das heute noch steht und
vor
Jahren noch den Schriftzug „AVE“ über der
Tür trug (heute Haus
Klosterhof 1).
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Das
Kaplaneihaus St.
Katharina, Gebäude Herrenstraße 1, wurde im Jahr
1806 an seinem
angestammten, vermutlich schon 1499 zugewiesenen Standort, zuletzt
neu erbaut. Zuvor war es schon nach den Zerstörungen bei den
großen
Ortsbränden von 1548 und 1704 jeweils wieder
dort errichtet
worden.
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Süd-
und Ostansicht des Kaplaneihauses um 1825 (Beilage zur
Pfründbeschreibung der Kaplaneistelle St. Katharina und Maria
in
Kißlegg, Pfarrarchiv Kißlegg)
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Der Keller im Kaplaneihaus
lässt erahnen, dass im unteren,
gemauerten Teil
des Gebäudes ältere Bauphasen noch enthalten sind.
1805
war das
Kaplaneihaus baulich in einem sehr schlechten Zustand und drohte
sogar einzustürzen. Kaplan Ignaz Karl erhielt, wohl zu seiner
Sicherheit und für die kommende Bauphase, eine Notwohnung im
Wurzach’schen Schloss, und Anfang 1806 fasste Patronatsherr
Eberhard I. von Waldburg „zu Wurzach und
Kißlegg” die
„Resolution” zum Neubau des Hauses. Die Arbeiten
führten
Maurermeister Michael Hermann und Zimmermeister Wilibald
Bärtle aus,
beides Kißlegger Handwerker. Ziegelsteine und Ziegelplatten,
mehrere
zehntausend, wurden bei Zieglermeister Heinrich Zettler in Leutkirch
gekauft und von Kißlegger Bauern und Handwerkern gegen
Fuhrlohn
herbeigeschafft.
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Grundriss
des Erdgeschosses (links) und des Obergeschosses (rechts), um 1825
(Beilage zur Pfründbeschreibung der Kaplaneistelle St.
Katharina
und Maria, Pfarrarchiv Kißlegg) |
Schreiner Ferdinand Graf aus
Kißlegg
fertigte unter
anderem die Kreuzstöcke (8 Stück) mit
zugehörigen Türen
(„inwändige Läden”); das
Beschläg dazu kam von Schlosser Franz
Joseph Miller aus Kißlegg. Im Haus befanden sich vier
Öfen. Zwei
davon fertigte Hafner Johann Detzel aus Wolfegg neu, zwei wurden
wieder verwendet und von ihm repariert. Die Glaserarbeit leistete
Glaser Joseph Huber aus Kißlegg, die Malerarbeiten
hauptsächlich
Maler Xaver Futscher aus Eberharz. Vermessungsarbeiten
übernahm
Thomas Werz aus Kißlegg. Die Aufsicht über
das
gesamte Bauwesen
führte Rentamtsverwalter Franz Gallus Schabet. Der Bau wurde
im
wesentlichen 1806 durchgeführt, einem Jahr großer
politischer
Umbrüche, das für Kißlegg eine
gleichzeitige Besetzung durch
konkurrierende württembergische und bayerische Truppen mit
sich
brachte. Im ersten Vierteljahr 1807 konnten die Arbeiten im
wesentlichen abgeschlossen werden, nach einer Bauzeit von gerade mal
einem Jahr. Die Baukosten betrugen 3319 Gulden 35 Kreuzer und 4
Heller und wurden vorwiegend aus dem Wiedererrichtungsfonds der
Marienkaplanei bestritten.12
Entstanden war ein fast quadratisches, zweigeschossig gemauertes
Gebäude mit Walmdach und großem Speichergiebel.13
Ein schöner, zeitweise fast barock angelegter Garten schloss
sich
östlich an.
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Das Kaplaneihaus St.
Katharina, vom Kirchturm aus fotographiert.
Den Kaplan sieht man in
seinem
schönen Garten stehen. Am Garten an-
schließend oben
das Haus Moos-
brugger, später Welte, und rechts Föll,
jetzt
Rosenträger. Aufnahme um 1900. |
Das
Gebäude wurde
im 19. und 20. Jahrhundert mehrfach renoviert und innen umgebaut,
zuletzt im größeren Umfang Anfang der 1960er Jahre.
1963 wurde eine
Garage mit Heizöltankraum angebaut, 1984-1985 erfolgte der
Umbau des
Erdgeschosses zur Nutzung als Pfarrbücherei und
Kirchenpflege-Büro.
Die Pfarrbücherei befand sich bis Anfang 1997 im Kaplaneihaus.
Nach
ihrem Umzug in den Pfarrstadel wurden deren bisherige
Räumlichkeiten
durch die Jugendgruppen genutzt. Nunmehr erleben wir eine neue
Zäsur
in der langen Geschichte der Kaplanei: Das Kaplaneihaus dient der
Pfarrgemeinde künftig als („Teil-“)
Gemeindehaus.
Anmerkungen:
1 Pfarrarchiv
Kißlegg, Bestand Kaplanei St. Katharina und Maria: Fasz. VI
(unbegl. Abschrift der Stiftungsurkunde vom 21. September 1399, 18.
Jh.).
2 Baumann, Franz Ludwig:
Geschichte des Allgäus, Band II. Kempten (Kösel)
1890, S. 463.
3 Pfarrarchiv
Kißlegg, Bestand Kaplanei St. Katharina und Maria: Fasz. VI
(unbegl. Abschrift der Stiftungsurkunde vom 12. März/23. April
1420, 18. Jh.).
4 Pauly, August von:
Beschreibung des Oberamts Wangen. Stuttgart (Cotta) 1841, S. 259.
5 Duncker, Max: Verzeichnis
der württembergischen Kirchenbücher. Stuttgart
(Kohlhammer) 1938, S. 242. Hingegen berichtet Pauly, dass 1808 der
Kilianskaplan aus Leutkirch von der bayerischen Verwaltung als Pfarrer
"unter Beschränkungen" nach Willerazhofen abgeordnet wurde,
bis 1813 die württembergische Regierung Willerazhofen zu einer
ganz selbständigen Pfarrei erhob (Pauly August von:
Beschreibung des Oberamts Leutkirch. Stuttgart (Cotta) 1843, S. 160).
7 Gesamtarchiv der
Fürsten zu Waldburg-Wolfegg-Waldsee, Schloss Wolfegg, Bestand
Kißlegg: WoKi U 1596, WoKi 1887.
8 Pfarrarchiv
Kißlegg, Bestand Kaplanei St. Katharina und Maria: Fasz. VI
(Stiftungsurkunde vom 14.08.1450 in unbeglaubigter Abschr. einer
Abschrift vom 26. Okt. 1713, 18. Jh.).
9 Pfarrarchiv
Kißlegg, Bestand Pfarrei St. Gallus und Ulrich: Rechnung BR
2; so z. B. 1599 Lesen von Hl. Messen "bei den Siechen".
10 Grimm, Michael: Versuch
einer historisch-statistischen Beschreibung Kißleggs sammt
seiner Umgebung. Kißlegg 1864, S. 98.
11 Die Standorte der
Kaplaneigebäude sind u. a. nachgewiesen in: Gesamtarchiv der
Fürsten zu Waldburg-Wolfegg-Waldsee, Schloss Wolfegg, Bestand
Kißlegg: WoKi 663 (Grundriss des hochgräflichen und
hochfreiherrlichen Fleckens Kißlegg, 1704).
12 Pfarrarchiv
Kißlegg, Bestand Kaplanei St. Katharina und Maria: Fasz.
XVIIIA (Bauabrechnung des Rentamtsverwalters Schabet).
13 Schahl, Adolf u.a.: Die
Kunstdenkmäler des ehemaligen Kreises Wangen. Stuttgart
(Deutsche Verlags-Anstalt) 1954, S. 225.